Weimar

24.08.2024 - 11.10.2024

DIE KUNST IST EINE TOCHTER DER FREIHEIT
zeitgenössische Positionen zu Demokratie und Vielfalt

Eröffnung
24.08. ab 19 Uhr
Dauer 24.08. – 28.09.2024 (verlängert bis 11.10.2024)
Ort EIGENHEIM Weimar, Asbachstraße 1, Weimar

teilnehmende Künstler*innen
Adam Noack, Anna Schimkat, Anna Bittersohl, Benedikt Braun, Claus Bach, Elisa Jule Braun, Enrico Freitag, Fernando Sánchez Castillo, Frederik Foert, Gökçen Dilek Acay, Kathryn Gohmert, Konstantin Bayer, Michal Schmidt, Moritz Stumm, Naomi Tereza Salmon, Philipp Kummer, Schorsch Kamerun, Sebastian Jung, Schröter und Berger, Timo Herbst und Marcus Nebe, Tommy Neuwirth

Informationen

Wir wollen Stellung beziehen, denn es steht viel auf dem Spiel. Am 01.09.2024 finden in Thüringen und Sachsen die Landtagswahlen statt, und es scheint auch hier ein Trend um sich zu greifen, welcher aktuell nicht nur Deutschland und Europa, sondern darüber hinaus die globale Politik beschäftigt und spaltet. Populisten und rechte politische Strömungen gewinnen immer mehr Einfluss, und auf allen Ebenen wird über Ursachen und mögliche Auswirkungen auf die Politik, Wirtschaft und Kultur diskutiert.

Eine durch vielfältige soziale, politische und technologische Veränderungen sowie von Krisen und Kriegen geprägte Weltordnung lässt in der Gesellschaft Unsicherheit und Unverständnis entstehen. Dieses Grundgefühl wird durch Parteien wie der AfD mit populistischen Konzepten verstärkt, um diesem dann mit angeblich einfachen Antworten zu begegnen. Der Plan scheint aufzugehen. Unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung gerät dadurch jedoch in Gefahr.

An dieser Stelle kommen wir ins Spiel. Denn alle Teile unserer Gesellschaft, gerade Kulturinstitutionen, Künstler*innen und Kreative, Dichter*innen und Denker*innen, müssten mit einschneidenden Veränderungen rechnen, sobald eine völkisch-national bis hin zu rechtsradikal ausgerichtete Partei starken Einfluss auf unsere Politik gewinnt. Dafür einzustehen, dass nur in einer durch Internationalität, Gleichheit und Freiheit geprägten Welt Innovation, Prosperität, kulturelle Vielfalt und gesamtgesellschaftliche Verantwortung gedeihen können, ist Ziel dieser Ausstellung. Als Titel der Ausstellung bedienen wir uns dabei an einem Zitat
aus dem Zweyten Brief einer Reihe von Briefen Über die asthetische Erziehung des Menschen von Friedrich Schiller: Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit und bringen Werke von 22 nationalen und internationalen Künstler*innen zusammen.

Dabei versuchen wir, die vielen damit in Verbindung stehenden Themen abzubilden, wir arbeiten die Vergangenheit auf, bringen zeitaktuelle Kontroversen zur Sprache und wagen einen Blick in die Zukunft. Wir zeigen sowohl internationale als auch in Thüringen und Sachsen ansässige Künstler*innen. Der aus Spanien stammende Künstler Fernando Sánchez Castillo zum Beispiel beschäftigt sich in seiner Arbeit mit Macht und Repräsentation, Machterhalt und Zerschlagung, Erinnerung und Vergessen. Aufbauend auf tiefgreifender Recherche und komplexer Aufarbeitung der Geschichte legt er den Finger in die Wunde der Vergangenheit. In der Ausstellung zeigen wir neben der ironisch-witzigen Videoarbeit "Pegasus Dance", welche die machtausübende Kraft zweier Wasserwerfer in einen sinnlich-musischen Tanz umkehrt, eine Gruppe seiner "Tank Man"-Figuren. Diese sind technisch aufwändig realisierte Nachbildungen des bisher unbekannten Menschen, welcher sich 1989 während der gewaltsamen Zerschlagung der Studentenproteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking den Panzern entgegenstellte. Eine Ikone des Kampfes um Freiheit wird durch Castillo mal einem Machtsymbol ähnlich überlebensgroß in Marmor, mal einem Spielzeugsoldaten ähnlich in Miniatur und Masse produziert. Die Aufarbeitung der Vergangenheit und die stetige Anwesenheit der Spuren der Geschichte sind auch Teil der Auseinandersetzung der zweiteiligen Fotografie von Naomi Tereza Salmon. Die schwarz-weiße Fotografie zeigt ein Oberlicht in der ehemaligen Weimarhalle, in das kurz nach ihrer Fertigstellung 1933 ein Hakenkreuz aus Glas eingebaut wurde. Während der Mangelwirtschaft der DDR-Zeit wurde dieses nicht etwa entfernt, sondern die Glasscheiben nur vertauscht. Das Hakenkreuz war jedoch noch ohne Frage ersichtlich und auf diese Weise bis zum Abriss der ehemaligen Weimarhalle 1997 unkommentiert präsent. Auch das Künstlerduo Schröter und Berger begibt sich auf Spurensuche der Vergangenheit. Ein Reprint des Signets der Antifaschistischen Aktion im Format DIN A3, welches 1932 von dem Bauhäusler Max Gebhard entworfen wurde, war zum einen Teil einer Protestaktion in Bezug auf die Ausladung der politisch links ausgerichteten Band Feine Sahne Fischfilet von einem ZDF-Konzert während der Feierlichkeiten des 100-jährigen Bauhaus-Jubiläums und wird nun in der Ausstellung mit einem Interview in Verbindung gebracht, das 2009 im besetzten Haus in Weimar mit den Enkeln der Gestalter des Signets geführt wurde. Hier stellen sich die Fragen nach der politischen Verantwortung der Künste genauso wie die Bedeutung von kulturellen Freiräumen.

Natürlich ist die Ausstellung auch auf vielseitige Weise im Hier und Jetzt verankert. So zeigt die aus der Türkei stammende Künstlerin Gökçen Dilek Acay einen 6,5 Meter langen Siebdruck-Banner mit einer Aufschrift, in der sich das Wort "VOTE!" (Wähle!) in der Wiederholung in das Wort "FATE", also Schicksal, verändert. Der aus Thüringen stammende Künstler Tommy Neuwirth hat einen neuen Song geschrieben, der sich an den Verlust der Realität und die Suche nach Freiheit richtet. Adam Noack besuchte in den letzten Jahren regelmäßig Demonstrationen in der 5000 Einwohner zählenden Kleinstadt Colditz bei Leipzig. Diese waren geprägt von der Wut und dem Unverständnis gegenüber den Corona-Maßnahmen, von Querdenker-Kreisen, von Impfgegnern, Rechtspopulisten, Reichsbürgern und Rechtsextremen, aber auch von Gegendemonstranten der alternativen und linken Szene. Aufbauend auf den vielen dort entstandenen Zeichnungen entwickelte Noack in der Ausstellung die gezeigte Mappe „Von Wutbürgern und anderen Engagierten", bestehend aus 12 Siebdrucken. Das Erbe der Deutschen Einheit, gesellschaftliche Wandlungsprozesse bis hin zur Entstehung rechter Strömungen sind aktuelle Themen des Künstlers Sebastian Jung. Subtil und subversiv beleuchtet er in seiner Arbeit "Der Gelbe Elefant" die Verhältnisse und den sich vollziehenden Strukturwandel in einem westdeutschen Einkaufszentrum und thematisiert dahingehend die Grundlage für die Unzufriedenheit und die Gespaltenheit der Gesellschaft. Als Metapher gegenüber den sich wiederholenden und zwanghaften Verhaltens- und Bewegungsmustern einzelner Menschen oder ganzer sozialer Gruppen ist im Kontext der Ausstellung die Videoarbeit von Elisa Jule Braun "Depressed Animals" zu verstehen. Die immer gleichen Wege eingesperrter Tiere im Zoo werden in dieser Arbeit auf die Bewegung von Staubsaugerrobotern oder Drohnen übertragen. Die Wiederholung der Geschehnisse ist auch bei Benedikt Braun Teil der Auseinandersetzung. Gezeigt werden ein Klebeband mit der Aufschrift "Nichts wiederholt sich" sowie ein T-Shirt mit dem Aufdruck "nach dem Dritten Reichts".

Einen literarischen Hintergrund hat die Malerei von Enrico Freitag. Im Kontext seiner Auseinandersetzung mit Arbeit, Produktion und den Auswirkungen auf die Gesellschaft und Umwelt ist die Zeichnung eines Schlachthauses als Hinweis auf das Stück von Bertolt Brecht "Die heilige Johanna der Schlachthöfe" zu verstehen. Die Schwierigkeit, soziale Kompromisse in der Krise zu finden, wird in diesem Stück in typisch brechtscher Art genauso verhandelt wie der Kampf um Gleichheit und Freiheit.

Auf ein anderes literarisches Stück bezieht sich Kathryn Gohmert aus den USA mit ihrer Malerei "Angst frisst die Seele auf". Das von Rainer Werner Fassbinder verfilmte deutsche Melodrama "Angst essen Seele auf" thematisiert soziale Unterdrückung und Ausgrenzung von Gastarbeitern in den frühen 1970er Jahren. Auch der deutsche Sänger, Autor und Theaterregisseur Schorsch Kamerun hat mit der Arbeit "Bevor wir kippen – Weimarer Sommer ´24" einen Kommentar zur aktuellen Situation in die Ausstellung eingebracht, der auch das Leitmotiv der regelmäßig auf dem weimarer Theaterplatz stattfindenden Performances des Künstlers zum parallel stattfindenden Kunstfest ist.

Während des Eröffnungswochenendes der Ausstellung am 24. und 25.08.2024 wird bei EIGENHEIM Weimar zugleich das "Cringe Fest" im Rahmen des baustelle3000' Artist-in-Residencies stattfinden. Das Programm des "Cringe Fests" (Cringe – umgangssprachlich für „zusammenzucken“ oder „erschaudern“) umfasst eine vielfältige Palette von künstlerischen Aktivitäten, darunter Auftritte von Bands wie "lurch" aus Leipzig und "F*tze" aus Berlin sowie die Vorführung des Films "Terror 2000 – Intensivstation Deutschland" von Christoph Schlingensief aus dem Jahr 1992. Es wird also bunt und laut, und wir freuen uns auf euren Besuch.

Ansichten

Galerie Eigenheim

WEIMAR EIGENHEIM Weimar / Asbachstrasse 1, 99423 Weimar / weimar@galerie-eigenheim.de
BERLIN EIGENHEIM Berlin / Kantstraße 28, 10623 Berlin / berlin@galerie-eigenheim.de
Diese Website benutzt Cookies. Mehr dazu hier.